Buchholz in der Nordheide/Seevetal/Rönneburg. Der Unfall, bei dem am 11. Februar um 14.13 Uhr der Intercity-Express 613 im Harburger Stadtteil Rönneburg mit hoher Geschwindigkeit in einen mit Schienen beladenen Sattelschlepper raste, hat jetzt ein politisches Nachspiel. Michael Sander, Vorsitzender des Mobilitätsausschusses der Bezirksversammlung Harburg, fragt die zuständigen Fachbehörden, ob vor dem Unfall mit einem Toten und 25 Verletzten gegen behördliche Auflagen verstoßen wurde.
„Ich habe Hinweise bekommen, dass in der Betriebsgenehmigung für das Vossloh Rail Center der An- und Abtransport der Schienen klar geregelt ist“ sagt Sander. Demnach dürfe er ausschließlich über die Schiene erfolgen – und nicht per Lkw.
Tatsächlich passieren gelegentlich Lkw mit Schienen die schmale Straße Reller kurz vor der Landesgrenze nach Niedersachsen. „Das sind aber Ausnahmen“, sagt Anwohner Günter Bosien, dessen Haus nur einen Steinwurf entfernt vom Unfallort liegt. Vossloh-Unternehmenssprecher Ivo Banek bestätigt gegenüber buchholz-aktuell.de den Transport über die Straße, berichtet sogar von zwei bis drei Lkw pro Woche. Die entscheidende Frage nach der Betriebserlaubnis kann er allerdings nicht „aus dem Stand“ beantworten, will das aber klären.
Michael Sander rechnet nicht mit einer schnellen Antwort auf seine Fragen. Jetzt müssten die Behörden zunächst mal klären, welche Behörde für die Betriebserlaubnis des Schienenwerks zuständig ist. Es könne auch das Eisenbahnbundesamt sein. „Das kann dauern“, sagt Anwohner Günter Bosien, der sich vor Jahren wegen einer Lärmschutzwand für die Rönneburger mit dem Eisenbahnbundesamt angelegt und sich am Ende durchgesetzt hatte.
Bosien war bei dem Unfall noch etwas anderes aufgefallen: „Der ICE hat erst wenige Sekunden vor dem großen Knall gebremst.“ Eine mögliche Erklärung: Der Bahnübergang liegt hinter einer Rechtskurve. Der Zugführer kann den Übergang und mögliche Gefahren deshalb erst rund 300 Meter vorher erkennen. Auf der Strecke ist wegen des nur mit Halbschranken gesicherten Übergangs maximal Tempo 140 erlaubt. Bei dieser Geschwindigkeit würde der ECE genau 7,7 Sekunden vom ersten Sichtkontakt bis zum Bahnübergang brauchen. Weder der Zugführer noch der Lkw-Fahrer konnten den Unfall verhindern. Immerhin hatte der 35 Jahre alte Rumäne noch Zeit, sich mit einem Sprung aus dem Fahrerhaus zu retten.
„Mehr als 95 Prozent der Zusammenstöße von Autos und Zügen passieren aufgrund von Unaufmerksamkeit, Leichtsinn oder Unkenntnis“, sagt ein Bahnsprecher. Das muss jetzt geklärt werden. Michael Sander fragt deshalb auch, ob der Kurvenradius der Straße Reller im Bereich des Übergangs geprüft worden ist. Für einen Sattelschlepper mit 19 Tonnen Stahlschienen ist die Kurve tatsächlich kritisch eng.
„Aktuell haben wir alle Transporte über den Bahnübergang ausgesetzt und warten ab, wie die Untersuchung der Unfallursache und die Gespräche mit der Deutschen Bahn verlaufen“, sagt Ivo Banek. Erst danach könne man die Situation abschließend beurteilen. (ag)