Buchholz in der Nordheide. Der Landkreis Harburg steckt in einer schweren Finanzkrise. „So kann das System nicht funktionieren”, sagt Rainer Rempe (CDU) auf dem Neujahrsempfang in Buchholz. Der Landrat nennt alarmierende Zahlen: Allein das Sozialbudget ist in den vergangenen sieben Jahren um 192 Millionen Euro gestiegen.
Mehr als 75 Prozent aller Ausgaben im Landkreis fließen inzwischen in die soziale Leistungen. In Zahlen: Von 577 Millionen Euro Gesamtausgaben 2025 entfallen 437 Millionen Euro auf diesen Bereich. „Es sind Leistungen, auf die gesetzliche Ansprüche bestehen. Wir haben kaum eine Möglichkeit daran zu sparen”, sagt Rempe.
Wo das Geld hinfließt
Der Sozialhaushalt des Landkreises umfasst viele Bereiche: Grundsicherung im Alter, Hilfen zur Pflege, Jugendhilfe und Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung oder Ausgaben wegen Migration. 2025 sind allein für Schule und Sport 66 Millionen Euro eingeplant, für Jugend und Familie 80 Millionen Euro.

Beispiel Kindertagesbetreuung: Damit diese überwiegend für Eltern kostenlos ist, muss auch der Landkreis zahlen. Das Land Niedersachsen will zwar eigentlich den Kreis entlasten und 56 Prozent der Personalkosten übernehmen, tatsächlich kamen 2023 aber nur 42 Prozent beim Landkreis an. „Das ist eine Differenz von 16 Millionen Euro”, rechnet Rempe vor. Bezahlt vom Landkreis.
Schulden werden sich bis 2028 verdoppeln
Neue Berechnungen zeigen jetzt das ganze Ausmaß der Finanzkrise: Allein in den elf Landkreisen im Nordosten Niedersachsens werden die Schulden bis 2028 auf mindestens 2,36 Milliarden Euro ansteigen. Zum Vergleich: 2024 lag die Verschuldung bei etwa 1,13 Milliarden Euro.
Die Sozial-Haushaltszahlen für 2025 im Kreis Harburg im Überblick:
Alle Angaben gemäß des Haushaltsplans 2025 gerundet nach Einnahmen und Ausgaben.
Gesamteinnahmen: 223 Millionen Euro
Gesamtausgaben: 436,8 Millionen Euro
Gesamtdefizit: 213,8 Millionen Euro
Die größten Defizite:
Jugend und Familie:
(z.B. Jugendhilfe, Inklusion, Soziale Dienste, Jugendarbeit)
Defizit: 63,7 Millionen Euro
Schule/Sport:
(z.B. Allgemeine Schulverwaltung und Sport)
Defizit: 62,1 Millionen Euro
Kinder und Jugendliche:
(z.B. Kindertagespflege, Kindergärten, Erziehungsberatung)
Defizit: 28,1 Millionen Euro
Soziale Leistungen:
(z.B. Bürgergeld, Pflegeleistungen, Sozialhilfe, Seniorenhilfe)
Defizit: 25,2 Millionen Euro
Migration:
(z.B. Ausländerrecht, Flüchtlinge, Unterbringung, Asylbewerberleistungen)
Defizit: 14,4 Millionen Euro
Gesundheit:
(z.B. Gesundheitshilfen, Ärztlicher Dienst, Teilhabe für Menschen mit Behinderung)
Defizit: 11 Millionen Euro
Leitung/Personal:
Defizit: 7,4 Millionen Euro
Kreisvolkshochschule:
(z.B. Bildungsangebote in verschiedenen Bereichen wie Pädagogik, Beruf, Gesundheit, Sprachen)
Defizit: 0,7 Millionen Euro
Besonders alarmierend: Inzwischen sehen die Landkreise sogar die Erfüllung ihrer Pflichtaufgaben als „massiv gefährdet” an. Das Zusammenstreichen von freiwilligen Leistungen wie der Unterstützung von Vereinen oder gesundheitlichen Beratungsangeboten wird die Millionendefizite nicht auffangen können. Diese machen nur einen vergleichsweise kleinen Anteil an den Ausgaben aus.
Wirtschaftswachstum als Hoffnungsträger
Trotz der düsteren Finanzlage gibt es auch positive Signale aus dem Kreis Harburg: Der Landkreis verzeichnete einen Anstieg bei den sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen. „Von 2015 bis 2022 haben wir einen Zuwachs von rund 25 Prozent erreicht. Damit liegen wir deutlich über dem Durchschnitt in Niedersachsen”, sagt Rempe.
„Wir müssen unsere Wirtschaft, unseren starken und erfolgreichen Mittelstand weiter stärken und fördern”, betont Rempe. Dazu gehöre auch, dass die Kommunen trotz zunehmender Flächenkonkurrenz weiterhin Gewerbeflächen ausweisen. Damit steigen über Abgaben wie die Gewerbesteuer auch die Einnahmen für die Kommunen und am Ende profitiert auch der Landkreis.
Land soll Überschüsse an Kommunen weitergeben
Die Landräte der Region fordern jetzt Unterstützung vom Land Niedersachsen. Zur Erklärung: Jedes Bundesland gibt seinen Städten und Gemeinden Geld, damit diese ihre Aufgaben erfüllen können. Das nennt man kommunalen Finanzausgleich. In Niedersachsen bekommen die Kommunen dabei deutlich weniger Geld als in anderen Bundesländern.
Pro Einwohner zahlt Niedersachsen fast 300 Euro weniger als der Durchschnitt aller Bundesländer. Für die Größenordnung einer Stadt wie Buchholz mit 40.000 Einwohnern bedeutet das zwölf Millionen Euro weniger pro Jahr. Rempe fordert: „Es muss Schluss sein mit dem Abwälzen von Kosten für politische Versprechungen auf die Kommunen.” (JOTO)