Buchholz in der Nordheide. In einer überraschenden und knappen Entscheidung hat der Rat der Stadt Buchholz die geplante Erhöhung der Gewerbesteuer abgelehnt. Eine geheime Abstimmung sollte eigentlich den Weg für eine Zustimmung ebnen – doch der Plan ging nach hinten los.
Die Stadt verzichtet damit auf Mehreinnahmen von rund 570.000 Euro im Jahr 2025 – und das in einer Zeit, in der Buchholz vor der größten finanziellen Herausforderung seiner jüngeren Geschichte steht. Für 2025 plant die Stadt mit einem Minus von mehr als drei Millionen Euro.
Die von der Gruppe SPD/Die Linke beantragte Erhöhung des Hebesatzes von 400 auf 410 Prozentpunkte hätte die Stadt an den niedersächsischen Landesdurchschnitt von aktuell 412 herangeführt. Für Unternehmen hätte es diese Auswirkungen gegeben: Eine GmbH mit 300.000 Euro Gewinn müsste dann jährlich etwa 1.000 Euro mehr zahlen. Kleinunternehmer mit weniger als 24.500 Euro Gewinn wären weiterhin von der Steuer befreit geblieben.
Buchholz im regionalen Vergleich: Niedrige Gewerbesteuersätze
Ein Blick in die Nachbarschaft zeigt: Buchholz liegt mit seinem Hebesatz am unteren Ende. In Rosengarten beträgt er 420, in Buxtehude 435 Prozentpunkte. Hamburg verlangt sogar 470 Prozentpunkte. Nur Seevetal (390) und Winsen/Luhe (400) haben noch niedrigere oder ähnliche Sätze.
Besonders brisant: Der Landkreis berechnet die Kreisumlage so, als würde Buchholz den Durchschnittssatz von 412 Prozentpunkten erheben. Die Stadt muss also Zahlungen leisten, als hätte sie höhere Steuereinnahmen – bekommt das Geld von den Unternehmen aber gar nicht. Die Differenz zahlt jeder Buchholzer mit seinen Steuern. Auch Zuweisungen vom Land hängen an diesem Durchschnittswert.
Emotionale Debatte im Stadtrat
„Kommunen werden bestraft, wenn sie unter dem Durchschnitt bleiben”, erklärte Frerk Meyer (Grüne) in der Ratssitzung. Es sei kein Drama die Gewerbesteuer auf den Landesdurchschnitt anzuheben.
Bürgermeister Jan-Hendrik Röhse (CDU) warb in einer emotionalen Rede für die Erhöhung: „Was ist für Unternehmen besser? Wenn der Arbeitnehmer nicht mehr mit dem Bus zur Arbeit kommen kann, weil dieser gestrichen wurde oder wenn Firmen eine kleine Erhöhung bezahlen?” Er verwies darauf, dass bei der letzten Steuererhöhung vor neun Jahren kein einziges Unternehmen abgewandert sei. „Bei 100.000 Euro Gewinn reden wir von 260 Euro Mehrbelastung im Jahr. Da sagt mir bitte kein Unternehmer, dass er deswegen pleite geht oder aus Buchholz abhaut.”
Seine eigene CDU-Fraktion sah das anders. Stefan Menk warnte vor Steuererhöhungen in der Wirtschaftskrise: „Wir sind uns mit der SPD einig, dass der Haushalt schwierig ist. Aber eine Steuererhöhung in der Wirtschaftskrise sendet das falsche Signal.” Sein Parteikollege Bernhard Unger ergänzte, dass die Summe aller Belastungen für Unternehmer wie ihn entscheidend sei: „Gewerbesteuer, Stromkosten – die Zeche zahlen am Ende wir alle als Verbraucher.”

Die FDP-Fraktion um Wilhelm Pape lehnte die Erhöhung ebenfalls ab. Die Partei sieht die Haushaltslage weniger dramatisch: „Das Defizit wird nicht so schlimm. Der Kämmerer wird gut planen. Auch in den letzten Jahren war der Verlust geringer, als vorher berechnet.” Steuersenkungen wären eher das Gebot der Stunde. Auch die AfD positionierte sich gegen eine Anhebung. „Eine Erhöhung ist das völlig falsche Signal”, sagte Marina Graul.
Die Buchholzer Liste fand den Vorschlag der SPD richtig. „Die Ablehnung des Antrags ist fatal. Ich überlege mir jetzt, ob ich die 2,5 Prozent Erhöhung selbst an gemeinnützige Projekte spende”, sagte Christoph Selke, Fraktionsvorsitzender der Buchholzer Liste.
Steffi Menge (SPD) zeigte sich nach der Abstimmung geschockt: „Wir sind fast die einzigen mit Vorschlägen zur Konsolidierung des Haushalts, die anderen sind nur dagegen.” Den Preis für eine niedrige Gewerbesteuer würde die Allgemeinheit zahlen.
Kehrtwende: Vom Ausschuss befürwortet, im Rat abgelehnt
Besonders überraschend: Bei Vorberatungen im Finanzausschuss vor zwei Wochen war der Antrag noch mit 5 zu 4 Stimmen angenommen worden. Auch im nicht öffentlichen Verwaltungsausschuss sprachen sich die Mitglieder nach Informationen von buchholz-aktuell.de für eine Anhebung aus.
Trotzdem hatte die Fraktionsvorsitzende der SPD in Buchholz die geheime Abstimmung im Rat beantragt. Vor allem um CDU-Ratsmitgliedern ein geheimes Zustimmen oder eine Enthaltung zum SPD-Antrag zu ermöglichen. Der Plan ging aber nach hinten los.
Offensichtlich stimmte in geheimer Wahl nun mindestens ein Mitglied aus SPD, Grünen, Buchholzer Liste und/oder fraktionsloser Ratsmitglieder gegen eine Erhöhung. Wer das war? Bisher hat sich dazu niemand öffentlich bekannt.
Die Ablehnung hat direkte Folgen für den städtischen Haushalt. Buchholz Erster Stadtrat Dirk Hirsch warnte: „Ab 2027 können wir nicht einmal mehr Kredite aus Überschüssen bezahlen.” Die Stadt muss nun an anderer Stelle sparen oder Einnahmen generieren. Betroffen sein könnten freiwillige Leistungen wie Zuschüsse für Sportvereine, die Empore oder an den Buchholz Bus.
Wichtige Begriffe erklärt:
Gewerbesteuer-Hebesatz: Prozentsatz, den Kommunen auf einen bundesweit einheitlichen Steuermessbetrag aufschlagen. Jede Kommune kann ihn selbst festlegen. Je höher der Hebesatz, desto mehr Gewerbesteuer zahlen Unternehmen.
Kreisumlage: Abgabe, die Städte und Gemeinden an ihren Landkreis zahlen müssen. Wird oft basierend auf einem durchschnittlichen Hebesatz berechnet - auch wenn die tatsächlichen Einnahmen der Gemeinde niedriger sind.
Freiwillige Leistungen: Ausgaben der Stadt, die nicht gesetzlich vorgeschrieben sind, z.B. Zuschüsse für Sportvereine oder Kultureinrichtungen. Bei Finanzengpässen werden diese oft zuerst gekürzt, im Gegensatz zu Pflichtaufgaben wie Schulen oder Feuerwehr.
Die Gewerbesteuereinnahmen werden um mehrere Millionen in den kommenden Jahren sinken, davon gehen die aktuellen Planungen im Haushalt aus. Außer die Gewinne der Gewerbeunternehmen in Buchholz steigen trotz der wirtschaftlichen Krise in Deutschland überraschend an. Eine Option, die nicht im Haushalt eingeplant ist, auf die aber nun jeder hofft. Entlastung könnte auch das neue Gewerbegebiet am Trelder Berg Nord mit der Ansiedlung neuer Firmen bringen.
Bürgermeister Jan-Hendrik Röhse steht nun zusammen mit der Verwaltung vor der schwierigen Aufgabe, die Stadtfinanzen auch ohne diese Mehreinnahmen zu sanieren. Seine Warnung im Rat hallt nach: „Keiner erhöht gern Steuern, keiner zahlt gern Steuern. Aber wir brauchen dringend das Geld.” Die knappe Abstimmung mit 16 zu 15 Stimmen zeigt: In dieser Frage ist der Rat tief gespalten. (JOTO)